Parlamentarische Oberaufsicht über öffentliche Unternehmen des Bundes – Analyse und Folgerungen im Kontext der Aufsicht und Steuerung durch den Bundesrat

Die Dissertation wurde von Claudia Höchner unter Betreuung von Prof. Dr. Andreas Lienhard verfasst. Am 20. August 2020 wurde sie von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern angenommen. Im November 2020 wurde sie beim Stämpfli Verlag veröffentlicht.

Zusammenfassung

Öffentliche Unternehmen erfüllen wichtige öffentliche Aufgaben insbesondere im Infrastrukturbereich. Dabei müssen sie sich am Markt behaupten und verfügen über Autonomiebereiche, welche die staatliche Aufsicht zurückdrängen. Das Parlament übt als demokratisch legitimiertes Organ die Oberaufsicht über öffentliche Unternehmen aus und muss deren Besonderheiten berücksichtigen. Die vorliegende Dissertation untersucht die bestehenden Rechtsgrundlagen und befasst sich mit den Eigenheiten, Möglichkeiten und den Grenzen der parlamentarischen Oberaufsicht über öffentliche Unternehmen des Bundes. Die (Organisations-)Aufsicht und die Steuerung öffentlicher Unternehmen durch den Bundesrat werden ebenfalls einbezogen, da diese für die Ausgestaltung der parlamentarischen Oberaufsicht von zentraler Bedeutung sind. Anhand einer rechtlichen Analyse sowie mit Experteninterviews werden sowohl theoretische Grundlagen beleuchtet wie auch Anregungen für die Praxis geschaffen.

 

Ausgangslage

Öffentliche Unternehmen haben einen hohen Stellenwert auf Bundesebene und es besteht ein grosses Interesse der Öffentlichkeit und der Medien an ihren Handlungen (vgl. z.B. PostAuto-Affäre oder Cyberangriff auf RUAG). Wird eine öffentliche Aufgabe einem öffentlichen Unternehmen übertragen, braucht dieses genügend Autonomie, sodass es seinen Handlungsspielraum nutzen und selbstständig Entscheide treffen kann. Gleichzeitig trägt der Staat weiterhin die Gewährleistungsverantwortung, d.h. er ist auch bei Aufgabenübertragungen weiterhin selbst dafür verantwortlich, dass die öffentliche Aufgabe erfüllt wird. Dies ergibt ein Spannungsfeld.

Beaufsichtigt und gesteuert werden öffentliche Unternehmen – wie die Zentralverwaltung – von der Regierung, d.h. auf Bundesebene vom Bundesrat. Dabei gelangen verschiedene Aufsichtsarten zur Anwendung: Bei der Zentralverwaltung besteht eine Dienstaufsicht mit Weisungsrechten und bei den dezentralisierten bzw. ausgelagerten Verwaltungsträgern gelangt eine Organisationsaufsicht zur Anwendung, welche Autonomiebereiche berücksichtigt. Zusätzlich zur Aufsicht und Steuerung der Regierung besteht die Oberaufsicht des Parlaments. Die parlamentarische Oberaufsicht ist eine der zentralen Aufgaben der Bundesversammlung. Sie hat einerseits zum Ziel, dass die Regierung ihre politische Verantwortung wahrnimmt. Andererseits will sie das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat stärken. Auch öffentliche Unternehmen, die durch die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben Staatshandlungen vollziehen, unterstehen damit der Oberaufsicht. Dabei sind jedoch deren Autonomiebereiche zu berücksichtigen.

 

Fragestellung 

Bei der Ausgestaltung der parlamentarischen Oberaufsicht über öffentliche Unternehmen stellen sich zunächst Fragen bezüglich des Gegenstands sowie der Adressaten der Oberaufsicht in Bezug auf öffentliche Unternehmen. So ist etwa unklar, ob sich die Oberaufsichtsorgane auf die Prüfung der Rolle des Bundesrats gegenüber den öffentlichen Unternehmen beschränken müssen oder ob öffentliche Unternehmen direkt von der Oberaufsicht erfasst werden. Auch das Verhältnis der Oberaufsicht zur Aufsicht der Exekutive bzw. die Reichweite und der Zeitpunkt der Oberaufsicht können Unklarheiten hervorrufen. Insbesondere die Autonomiebereiche der öffentlichen Unternehmen stellen eine Herausforderung für die Regelung der Oberaufsicht dar: Dass ein öffentliches Unternehmen Autonomie benötigt, ist zwar unbestritten. Wie stark dadurch die Aufsicht und die Oberaufsicht eingeschränkt werden, ist allerdings häufig unklar.

In der Dissertation wurde folgende Hauptfrage beantwortet: Welche besonderen rechtlichen Anforderungen bestehen bei der parlamentarischen Oberaufsicht über öffentliche Unternehmen des Bundes? Um diese Hauptfrage zu beantworten, wurden verschiedene Unterfragestellungen formuliert.

Methodik

Die Methode dieser Arbeit bestand hauptsächlich aus einer Literatur-/Dokumentenrecherche und -analyse sowie aus einer Verfassungs- und Gesetzesanalyse. Einbezogen wurden die relevanten Literaturwerke, Rechtsgutachten sowie konzeptionelle Grundlagen bzw. Dokumente vom Parlament, von der Regierung und der Verwaltung, von öffentlichen Unternehmen, internationalen Organisationen und von weiteren Akteuren. Zudem wurden die relevanten Bestimmungen aus der Bundesverfassung, den Querschnittserlasse sowie aus den Spezialgesetzgebungen öffentlicher Unternehmen analysiert. Punktuell beigezogen wurde betriebswirtschaftliche und politikwissenschaftliche Literatur. Zur Analyse der Praxis der Oberaufsicht wurden einerseits konzeptionelle Grundlagen ausgewertet und andererseits qualitative Experteninterviews durchgeführt und ausgewertet.

Ergebnisse

Aus der Arbeit geht hervor, dass eine wirksame Oberaufsicht auch bei öffentlichen Unternehmen zentral ist. Diese stellt – wenn auch etwas begrenzter als bei der Zentralverwaltung – die demokratische Legitimation staatlichen Handelns sicher. Es wurde ersichtlich, dass sich öffentliche Unternehmen des Bundes in verschiedener Hinsicht von der Zentralverwaltung unterscheiden. Aufgrund dessen ist die Oberaufsicht notwendigerweise zurückhaltender, was sich allerdings in den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen wenig widerspiegelt. Bei den wesentlichen Ergebnissen wurden Feststellungen zu den Besonderheiten öffentlicher Unternehmen, der Aufsicht und Steuerung öffentlicher Unternehmen und insbesondere zur Oberaufsicht über öffentliche Unternehmen dargelegt. Zudem zeigt die Autorin den Handlungsbedarf auf und gibt verschiedene Empfehlungen ab. Am Ende der Dissertation wird auf weiteren Forschungsbedarf hingewiesen.